Schule: Der Bau eines Balsagleiters

Jugendarbeit des Modellflugverbandes – für einmal wieder in einer Schule

Für die Jugendarbeit stellt der Schweizerische Modellflugverband, Region Nord Ostschweiz (NOS) Balsaflugmodelle zur Verfügung. Erstmals seit langer Zeit durfte wieder einmal ein Baukurs innerhalb des Werkunterrichtes in einer Primarschule durchgeführt werden. Martin Weidmann war grosszügigerweise bereit den Bau des Balsagleiters in ein Schulprojekt zu integrieren. Im Gegensatz zu einem ähnlichen Projekt beim Lehrer Alfred Vogel im Jahre 1970, durften nun die Buben und Mädchen gemeinsam daran teilnehmen.

Auch anders als damals, kam jetzt der Anstoss vom Schreibenden und Kursteilnehmer im 1970 und nicht aus dem Lehrerseminar. Diese Institution nennt sich heute übrigens Pädagogische Hochschule.

Da jetzt 14 Buben und 5 Mädchen betreut werden mussten, reisten aus der Modellfluggruppe Dübendorf (sie fliegt derzeit auf dem Militärflugplatz) noch ein Chefinstruktor und zwei Betreuer an. Der vierte Betreuer entstammte der Modellfluggruppe Flachtal. Dies damit die Schüler wissen, wo sie sich später melden können, um selbst einmal Modellflug zu betreiben.

Modellflug zählt übrigens zu den technisch wissenschaftlich orientierten Hobbys. Der kommende Lehrplan 21 wird den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) wieder einen höheren Stellenwert einräumen. Die Pädagogische Hochschule bereitet derzeit die angehenden Lehrkräfte darauf vor.

Es wird gelernt und gebaut

Für das Projekt Balsagleiterbau standen 1 1/2 Tage zur Verfügung. Die Schüler der 6. Klasse arbeiteten während den üblichen Lektionen gemäss dem normalen Stundenplan. Da die Bautätigkeit und die anspruchsvolle Theorie eine hohe Konzentration erforderten, war in der Pause etwas zusätzliche Bewegung angesagt. Dazu gab es auch noch die Vorführung eines flinken ferngesteuerten Motorseglers. Die Schüler werkten weitgehend in eigener Verantwortung. Das experimentelle Arbeiten mit einer grösseren Selbstständigkeit als bisher, soll übrigens auch im LP 21 vermehrt gefördert werden. Darum wurden die Schüler nur auf Wunsch unterstützt. Denn beim folgenden Flugwettbewerb würde sich dann die Qualität ihrer Arbeit von selbst auszahlen.

Pauseneinlage – das Flugzeug aus Balsaholz entsteht

In einer grossen Pause flog der kleine «Blaster» auf dem Fussballfeld elegant um die Scheinwerferkandelaber. Das ultraleichte Flugzeug demonstrierte neben sanftem Gleiten in luftiger Höhe auch den rasanten Steigflug. Und als Zugabe noch einige als gewagt ausschauende Akrobatikfiguren. Damit war schon einmal für Spannung am Himmel gesorgt. – Danach wurde im zum Werkraum improvisierten Schulzimmer wieder fleissig weiter gebaut.

Die Instruktoren zeigten die einzelnen Bauschritte jeweils am runden Tisch vor. Dazu gab es auch noch anschauliche Erklärungen, warum ein Flugzeug fliegt.

Der Finnish des Balsagleiters

In der Fliegerei geht nichts ohne die englische Sprache. Zur Motivation wurden auch im Kurs einige englische Ausdrücke wie beispielsweise «angle of attack» vermittelt und danach repetitiv zur Festigung im Gedächtnis angewendet.

Ein rechte Portion Show brachte viel Auflockerung in die trockene Theorievermittlung. Der Vortragende rühmte nebenbei die Bauqualität seines eigenen, vor den Augen der Schüler selbst vorgebauten Flugmodells. Damit diese noch offensichtlicher wurde, präsentierte er auch noch als abschreckendes Beispiel das durch den Autor des Berichtes gebaute Flugzeug. Dieses erlitt vorher auf eine tragische Weise einen Zusammenstoss mit einem Fussballspieler und sah darum ziemlich havariert aus.

Der Bauinstruktor kennt Thalheim aus der Sicht von oben

In der Theorie war viel über grosse Passagierjets zu hören. Sehr realitätsgetreu wurden die Eigenschaften einer Airbus A-380 diskutiert. Der Instruktor kannte alle Details dieses Jets auswendig. Fragen zum Thema reale Fliegerei beantwortete er äusserst kompetent. So dass ihn die anwesenden Lehrer sogleich zum Fachexperten für alle flugtechnischen Themen erklärten. Und dabei waren sie vermutlich ziemlich froh, von diesem Spezialisten nicht auch noch selbst befragt zu werden. So wie dies bei manchen Schülern geschah.

Irgendwann sickerte dann das Geheimnis über die Kompetenz des Vortragenden doch noch durch. Er kennt Thalheim schon lange. Allerdings vor allem aus der Sicht von oben. Denn als frisch pensionierter Captain bei der Fluggesellschaft Swiss, flog er früher regelmässig in einer riesigen A-340 über das Thurtal. Und als Ingenieur für Maschinenbau versteht er dazu auch noch die Technik der Flugzeuge bis in das kleinste Detail.

Flugerprobung

Die Flugerprobung mit einem anschliessenden Wettbewerb wurde auf einer benachbarten Wiese durchgeführt. Dort wurde auch eine Expressreparaturstelle eingerichtet. Bei dieser konnten beschädigte Flugzeuge zur sofortigen Instandstellung abgegeben werden. Es zeigte sich bald einmal, dass dort überdurchschnittlich viele weibliche Teilnehmerinnen anstanden. Sie hatten offenbar auch noch einen Belastungstest in ihren Erprobungsablauf integriert.

Dabei zeigte sich ein Phänomen: «Lehrerflugzeuge fliegen immer viel weiter als alle anderen». Nach dem ersten grossen Triumph, bemerkten die Zuschauer bald einmal die Kehrseite dieses Erfolges. Wer sein Flugzeug so weit weg fliegen lässt, der hat auch den längsten Weg, um es wieder zurück zu holen.

Die Prüfung naht

Zuerst kam der Milan vom Dienst vorbei. Dies um den Schülern zu zeigen, wie gut die vermittelte Theorie in der Natur funktioniert. Dann erschien der REGA Helikopter am Himmel. Er wollte überprüfen, ob es bei dieser Flugerprobung keine Verletzten gegeben hätte. In der Geschichte der Fliegerei endeten ja viele Flugversuche tragisch. Da dies hier nicht der Fall war, erschien nun als nächstes der Kamerahelikopter. Er stellte von oben fest, dass die Flughöhen von maximal 1800 m über Grund nicht überschritten werden können. Somit brauchte es keinen Videobeweis, um damit allfällige Luftraumverletzungen zu dokumentieren.

Nach dem lufttechnisch alles in Ordnung war, durfte die Ju-Air endlich mit einem ihrer Flugzeuge den Ort Thalheim überqueren. Als Hauptattraktion ihres Fluges, konnten die Passagiere in der Ju-52 von oben aus das spektakulären Geschehen auf dem Erprobungshang mitverfolgen.

Im Gegensatz zu den Arbeiten in der Schule konnte bei dieser Prüfung weder vom Nachbarn kopiert noch mittels Spick geschummelt werden. Er brauchte auch keine zeitaufwendige Korrektur durch den Lehrer. Denn das besorgte die Natur gleich selbst.

Suboptimal gebaute Flugzeuge näherten sich der Erde sehr rasch. Bei nicht ganz perfekter Klebequalität zerlegten sie sich dazu auch noch in ihre Einzelteile. Damit bedurfte es keiner weiteren Präsentation des Resultates vor der Klasse. Denn auf dem Flugfeld wurde dieses sofort sichtbar. Da half auch das hin und wieder geübte «Beschönigen der eigenen Leistungen» nichts mehr.

Immerhin verbesserten sich die Flugleistungen vieler Modelle bei den nächsten Durchgängen erheblich. Dies auch dank der flinken Arbeit der platzeigenen Reparaturstelle.

Text und Bilder: Hermann Mettler (jun)
Weitere Fotos sind auf www.telesys.ch zu sehen.

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