Erinnerungen an Gütighausen

Eine der besten Zeitungen, welche wir regelmässig lesen dürfen, ist die Dorfposcht. Gerade die letzte Ausgabe – tip top! Mit den spassigen Zwischenbemerkungen, vermutlich als Lückenfüller gedacht, in Wirklichkeit aber eine schöne Auflockerung zwischen den vielen Daten, welche so ein Amtsblatt halt bringen muss.

Nun fragt eine Arbeitsgruppe nach Bildern aus der Geschichte von Gütighausen und Thalheim. Bilder haben wir nicht, aber Erinnerungen viele. Und weil diese bereits einige Zeit zurückliegen hier einige Müsterchen:

Wir durften ab 1982 von Ferdy und Fridi Wegmüller ein Bauernhaus an der Ossingerstrasse in Gütighausen mieten. Wir, das heisst ein Arbeiterehepaar mit vier Knaben, mausarm, mit einigen Schafen, Hühnern, einem Hund und viel Hoffnung auf eine gute Zukunft.

Das Haus war genial für uns: Holzheizung (Kochherd und Kachelofen), genügend Schlafzimmer (anfangs 3), viele Nebenräume, einem Hausgarten und einem Baumgarten mit 14 Hochstämmern, Aepfel und Birnen. Die Bäume waren lange nicht geschnitten worden, also machten wir viele Bürdeli aus den Wasserschösslingen, welche zwei Jahre später schön warm gaben.

Im Rübenkeller unter dem Stall lagerten wir im Herbst Obst und Gemüse ein, im vorderen Keller war genug Platz für Most, welchen wir bei Familie Wegmann in Andelfingen selbst pressen konnten.

Von Hansueli und Erika Zeller konnten wir jeweils sehr günstige Abgangskartoffeln kaufen und einlagern. Deren Sohn Manfred lernte Metzger, im Schlachthüüsli Gütighausen machte er aus unseren Lämmern beste Braten, Voressen und Würste.

Dort, wo heute in Gütighausen schwere Motorräder verkauft werden, konnten wir damals kleine Schweinchen kaufen. Diese erhielten genug Futter, auch Gras und die weniger schönen Früchte, und im Herbst gab es für uns eine Metzgete mit dem ganzen Programm, auch mit feiner Rösti (ungeschlagen im Geschmack, auf dem Holzherd schön langsam gebraten) und Apfelstückli.

Nachdem die Gerüchte, welche unserem Einzug in der Gemeinde vorausgeeilt waren einigermassen wiederlegt waren, wurden wir von der Bevölkerung gut aufgenommen. Annie wurde bald Ortsweibel, durfte das Glöcklein im Schulhaus stellvertretend bimmeln lassen und betreute auch die alte Frau an der Thur unten. Spitex und Pro Senectute waren damals noch nicht so stark verbreitet.

Wir waren auch in den Turnvereinen aktiv und – damals noch obligatorisch – in der Feuerwehr. Den Sold erachtete ich als Bonus, er wurde direkt nach der Übung ausbezahlt und umgehend in der Müli in Bier umgesetzt.

Meine Tätigkeit in der Kirchenpflege brachte neben ziemlich viel Bürde kaum etwas vom Anderen, aber doch auch einige Franken zum mageren Budget.

Jeweils gegen Weihnachten konnten wir jedes Jahr gegen 1000 Tännlein an das Einkaufszentrum im Rosenberg verkaufen, Lohn für die samstägliche Mühe mit dem Mähen des Unkrautes zwischen den Bäumchen.

Etwas später zügelte auch meine Mutter zu uns, auch sie wurde äusserst freundlich aufgenommen und im Dorfleben integriert. Fritz Geiger verhalf uns zu einem günstigen zweitürigen Opel Kadett, mit welchem die altergemäss häufigeren Besuche beim Arzt sichergestellt werden konnten. Das Auto wurde bei schlechtem Wetter auch manchmal zum Schulbus, alle 7 damaligen Schülerinnen und Schüler wurden eingeladen – heute undenkbar mit all den Sicherheitsvorschriften.

Die Kinder hatten den Plausch, auch an den Kartonschachteln, welche wir von Niefi jeweils bekamen: Mehrräumige Häuser wurden mit Klebeband zusammengebaut, ergänzt mit Hüttentüchern, alten Brettern und Backsteinen entstand hinter dem Haus eine ganze kleine Siedlung für die Dorfkinder. Sonst waren wir bei gutem Wetter im Sommerhalbjahr meistens an der Thur.

Die Kinder lernten schwimmen, spielten am Wasser und zündeten ein Feuerchen an, auf welchem zum Nachtessen manchmal eine Wurst gebraten wurde. Am feinsten waren aber die Kartoffeln aus dem Feuer und eine Delikatesse die in Alufolie gewickelten und in der Glut gedünsteten jungen Zwiebeln.

So mangelte es an nichts. Aber wir bewegten uns am Minimum und wir sind noch heute dankbar für jede Unterstützung, welche wir damals erhielten. Von den Bauern die günstigen Ausschussprodukte, Ratschläge und manchmal auch medizinische Hilfe in der Tierhaltung. Von den Nachbaren die Nachsicht welche wir für unsere grosse und manchmal auch laute und chaotische Haushaltung brauchten. Wir kamen mit nichts, wurden geduldet und konnten uns entwickeln.

Als sich uns dann eine Chance für ein besseres Aus- und Weiterkommen bot, packten wir diese und zogen weiter. Und so stelle ich fest: Die Gütighauserinnen und Gütighauser waren Pioniere in der Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen. Sie wussten, dass solche Menschen nicht viel brauchen, etwas Freundlichkeit, eine Wohngelegenheit, ein positives Umfeld und hie und da vielleicht etwas Nachsicht.

Wir jedenfalls, wir bleiben unseren früheren Nachbaren – auch Gastgebern – auf ewig zu Dank verpflichtet.

Mit lieben Grüssen,
Hansruedi Frauenfelder

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