Gedankenflug: Kein grüner Daumen, keine lustige Nudel

Warum meint der Mensch so oft, er müsse etwas sein oder können, was er einfach nicht ist und nicht kann? Zwei Dinge gibt es, die ich mir wünschte und über die ich immer wieder stolpere: ich habe keinen grünen Daumen und ich bin keine lustige Nudel.

Wohl haben wir einen grossen Garten und Umschwung mit Sträuchern und Wald – und da wächst vieles in rasantem Tempo. Vor allem im verflossenen nassen Frühling. Am schnellsten das Unkraut, dem man so nicht mehr sagt, also «politically correct»: das Spontankraut. An zweiter Stelle sind die Sträucher und Bäume. Wie viele andere auch entfernen wir im Frühling und im Herbst Berge von Ästen, die dann liebenswürdigerweise von den kräftigen Männern der Gemeinde gehäckselt werden. Und kaum sind die Sträucher geschnitten, ist das unerwünschte Kraut ausgerissen, wuchert alles schon wieder. Also diesbezüglich habe ich durchaus einen grünen Daumen im Garten. Anders ist es mit den unzähligen Setzlingen, die ich schon gekauft und ausgepflanzt habe. Sie wachsen einmal, dann gehen sie im allgemeinen Gewucher unter. Von geplanten, gezielten und schön designten Rabatten und Beeten kann bei mir keine Rede sein. Dann tun mir die wilden Storchenschnäbel wieder leid und die grossen Nachtkerzen – ich lasse sie wachsen und stolpere darum herum. Schön ist dafür, dass plötzlich da und dort etwas wächst, was ich vergessen hatte. Dieses Jahr sind es weisse Blumen mit dunkelgrünen Blättern, die überall spriessen und sehr schön sind. Ihr Name? Keine Ahnung mehr. Soviel zum grünen Daumen.

Mein zweiter «Defekt»: Mir geht die humorvolle Schlagfertigkeit ab. Mich kann man ganz leicht auf den Arm nehmen. Auch Witze kann ich nicht erzählen. Ich vergesse sie sofort – und wenn ich mich an einen erinnere, fange ich bestimmt hinten mit der Pointe an. Ich geniesse Leute, die lustig, fidel und am besten auf leichte Art selbstironisch sind. Denen könnte ich stundenlang zuhören. Davon dass ich eben keine «lustige Nudel» bin, habe ich auch einmal in einer Radiosendung erzählt. Zwei Tage später wurde an der Studioporte ein Blumenstrauss für mich abgegeben. Und der kam von einer Frau, die diese ironische Ader wirklich hatte. Sie liess nämlich in das schöne Bouquet eine Menge Nudeln stecken, und zwar die langen starren Linguine, die dann steif auf alle Seiten vorstanden – für die «nicht lustige Nudel». Ich habe den Gruss genossen. Das ist eben die Schlagfertigkeit, die ich so gerne hätte. Doch mit dem Älterwerden habe ich gelernt: Es gibt Dinge, die kann man nicht erzwingen und auch nicht kaufen.

Ursy Trösch

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