Leserbrief: Änet em Röschtigrabe

Wie lässt es sich leben «änet em Röschtigrabe»? Wohl nicht viel anders als in der Deutschschweiz, möchte man sagen. Schliesslich ist es noch immer das selbe Land. Dennoch prägen kleine Unterschiede den Alltag:

Dies fängt schon beim Einkaufen an. Es gibt keinen Dorfladen um die Ecke. Man braucht ein Auto, um in die nächste Migros oder den nächsten Coop zu fahren. Dafür haben einige Läden auch am Sonntag morgen offen. Dies ist ziemlich ungewohnt.

Auf den Ämtern wird ziemlich speditiv gearbeitet. Die Rechnung für die Hundesteuer wird einem umgehend zugestellt. Dafür kann man vergebens nach Robidogkasten Ausschau halten. Der anständige Hundehalter muss die Säcke im Laden kaufen und bei sich selbst entsorgen.

Für den ersten Moment war auch sehr erstaunlich, dass es noch Orte in der Schweiz gibt, die keine Abfallgebühr kennen. Das Abfallwesen kennt aber noch weitere Besonderheiten. Glas, Büchsen, etc. können nicht einfach nach Belieben entsorgt werden. Die dafür speziell eingerichtete Entsorgungsstelle ist dreimal wöchentlich geöffnet. Auch die Zeitungen sind dorthin zu bringen. Es gibt keine «Zeitungsabfuhr», wie es bei uns bekannt ist.

Viel mehr Wald, aber auch viel mehr Starkstromleitungen prägen das hiesige Landschaftsbild. Beim Spazieren bekommt man bei feuchtem Wetter stetig das Säuseln der Leitungen zu hören. Auf den unschönen Einfluss, den das aufs Landschaftsbild hat, braucht wohl kaum hingewiesen zu werden.

Feldwege sind hier unten mehr als rar. Der Spaziergang wird also zum reinsten Abenteuer. Wenn ich mir jeweils einen Weg erkämpfen muss, frage ich mich jeweils, wie eigentlich die Bauern zu ihren Feldern gelangen. Denn die Felder grenzen lückenlos aneinander, ohne Platz für einen Fussweg, geschweige denn für einen Traktor zu lassen.

Dafür ist das Dorfleben auf der Strasse sicherer. Bei zahlreichen Dorfeingängen befinden sich Schwellen, welche die Autolenker zum Abbremsen zwingen. Ein ungebremstes Durchrasen, wie in der Deutschschweiz, ist da nicht möglich. Auch auf die Schüler wird sehr gut aufmerksam gemacht. In der Nähe von Schulhäusern befinden sich auf der Strasse grosse Warntafeln aufgedruckt. Am Strassenrand stehen ebenfalls blinkende Warntafeln. Doch nicht nur in den Dörfern, sondern auch in den Städten wird ein wachendes Auge auf die Raser gehalten. In und um Genf und Lausanne wimmelt es nur von Blechpolizisten, so dass auch ein anständiger Lenker stetig Angst haben muss, mit einer Busse im Sack nach Hause zurück zu kehren.

In Sachen Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur stehen uns die Romands kein bisschen nach. Auch hier sind die schönsten Strände mit Glasscherben und Abfall übersät. Wenn ich diese Schweinerei betrachte und mir dazu die Biberspuren entlang der Thur in Thalheim/Gütighausen vorstelle, fühle ich mich gleich wie in meinem ehemaligen zu Hause …

Manuela Keller

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