Interview: Eine Wirtin von altem Schrot und Korn

Das Thema, über welches ich mit Frau Fluck diskutiert habe, ist hochaktuell. Landauf, landab hört man, wie es in der Gastronomie krieselt. Magere Jahre sind zur Zeit bei den Wirtsleuten durchzustehen. Ideen, Kreativität oder irgend ein Geheimrezept sind gefragt, damit man in der jetzigen Zeit als Wirt überleben kann. Hedi Fluck ist den Gästen des Restaurants bestens bekannt. Sie musste nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1970 das Zepter selber in die Hand nehmen und war seither kaum einmal nicht im «Bahnhöfli» anzutreffen, um für das Wohl ihrer Gäste zu sorgen. Was wäre wohl dieses Restaurant ohne Frau Fluck? Sie darf auf eine langjährige Erfahrung als Wirtin zurückblicken …

Frau Fluck, seit wievielen Jahren sind Sie Wirtin hier?

Seit dem Tag meiner Hochzeit am 7. September 1950.

Wo sind Sie aufgewachsen?

In Stäfa am schönen Zürichsee. Ich bin in einer Bauernfamilie mit sieben Geschwistern gross geworden. Den See habe ich natürlich schon vermisst, als ich nach Thalheim kam. Ich war früher eine gute Schwimmerin und gerne im See baden gegangen.

Wie kamen Sie nach Thalheim?

Eine Cousine von mir wohnte in Wülflingen. Durch sie kam ich zu einer Servicestelle im Restaurant Post in Neftenbach. Dort lernte ich meinen Mann kennen. So kam ich hierher. Am Anfang hatten wir nebst dem Restaurant noch den Bauernhof mit Kühen und Ackerbau. Es war eine strenge Zeit. Wir mussten manchen Sturm überstehen. Ich hatte auch die Tiere gerne. Deshalb erinnere ich mich noch gut daran, als das Land verpachtet und die letzte Kuh aus dem Stall geführt wurde.

Waren Sie aber auch gerne Wirtin?

Ja, ich hatte immer Freude daran, auch heute noch.

Es spricht sich herum, dass selbstgebackenes Bauernbrot und die weitherum besten Koteletten zu Ihren Spezialitäten gehören?

Nachher mache ich gleich noch ein paar dieser Koteletten und Brot backe ich auch immer noch selber im Holzofen. Das Bauernbrot ist beliebt und manchmal verschenke ich noch davon. Es stimmt, dass die Koteletten viel verlangt werden, aber auch anderes koche ich noch heute selber, zum Beispiel Schnitzel, Geschnetzeltes oder Kutteln und einiges mehr.

Warum sind Ihre Koteletten so beliebt?

Ich glaube, es ist die selbstgemachte Fettmischung. Das ist mein Rezept.

Wo haben Sie denn kochen gelernt?

In jungen Jahren war ich einmal in Herrliberg auf einem Bauernbetrieb tätig. Dort lernte ich kochen.

Jetzt haben Sie eine Angestellte im Service. Sie mussten auch schon ohne Personal auskommen. Ist es schwierig für Sie, gutes Servicepersonal zu finden?

Ich weiss es nicht. Jetzt bin ich jedenfalls froh, eine Hilfe zu haben. In meinem Alter mag man halt nicht mehr so viel wie früher. Es gab eine Zeit, da musste ich nach Wirteschluss um Mitternacht noch den Brotteig kneten, um dann am anderen Morgen nach dem Einfeuern noch backen zu können. Das könnte ich heute auch nicht mehr. Oder wenn ich denke, wieviel ich früher schleppen musste, um all die nötigen Nahrungsmittel zu beschaffen. Jetzt habe ich es gut: Milch, Anke, Käse und was man so braucht wird mir nun gebracht.

Wie sind Sie mit dem Umsatz zufrieden?

Ich bin zufrieden. Ich lebte immer nach dem Motto: «Gekauft wird erst etwas, wenn du das nötige Geld dazu hast.» Das haben mir meine Eltern immer gesagt und daran habe ich mich gehalten. Ich habe auch früher etwas gespart. Die guten siebziger und achziger Jahre werden für die Wirtsleute nicht mehr kommen. Damals haben wir «7-Dezi» verkauft wie verrückt.

Worauf kommt es an, damit die Kundschaft gehalten werden kann?

Die Preise müssen günstig sein. Ich verkaufe den Kafi Creme noch immer zu Fr. 2.80. Das wird geschätzt. Wo man überrissene Preise bezahlen muss, geht der Gast doch nur einmal hin. Für mich gilt, den Gästen Sorge zu tragen. Mir ist egal, wer bei mir einkehrt, ob Hans oder Heiri, jeder Fünflieber ist gleich rund. Ich lege auch Wert darauf, die Gäste persönlich zu begrüssen. Kürzlich kamen Leute zu mir, fremde Gäste, die noch nie hier waren. Ich begrüsste Sie mit der Hand und die Frau meinte daraufhin: «Sie sind doch noch eine Wirtin von altem Schrot und Korn, die den Leuten noch grüezi sagt.» Das hat mich gefreut.

Woher kommen Ihre Gäste hauptsächlich?

Vieles sind Auswärtige, aber auch Leute von unserem Dorf, auch Wanderer, manchmal ganze Gruppen. Ich habe eine grosse Stammkundschaft und vor allem bin ich stolz, dass ich sagen darf, ich habe gute Gäste.

Die meisten Leute in Ihrem Alter sind pensioniert und müssen nicht mehr täglich arbeiten. Beneiden Sie diese nicht manchmal?

Ich geniesse jetzt schon auch den Donnerstag, an welchem wir geschlossen haben. Früher hatten wir jeden Tag geöffnet. Es reut mich ein wenig, dass ich nie Autofahren gelernt habe. Vieles wäre für mich einfacher gewesen, und ich hätte auch ab und zu ausfahren können.

Wie lange gedenken Sie noch weiterzumachen als Wirtin?

Ich hoffe, dass ich das 50jährige Jubiläum noch erreichen werde (im Jahr 2000). In der Vergangenheit habe ich mir oft Sorgen gemacht wegen der Zukunft des Restaurants. Heute denke ich eben: «Es chömm scho wie’s muess.»

Frau Fluck, natürlich hoffe ich, dass es Ihnen bis zu diesem grossen Jubiläum möglich sein wird, Ihr Restaurant zu führen und dass es die Gesundheit gut mit Ihnen meint. Ich wünsche Ihnen im Namen unserer Dorfposcht Redaktion alles Gute und bedanke mich ganz herzlich für dieses Gespräch.

Marlies Schwarz

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